Die Familien- und Krankenpflege bietet ein monatliches Frühstückstreffen an. Zeit für Gemütlichkeit, während die Demenz-Patienten gut versorgt sind. WAZ/WR-Redakteurin Britta Bingmann war zu Gast.


Der Tisch ist reich und liebevoll gedeckt, zwischen Wurstteller und Himbeerquark-Schälchen stehen sogar große Schoko-Nikoläuse an jedem Platz. Dennoch bleibt die gemütliche Kaffeetafel lange unberührt: Es gibt zu viel zu bereden, zu viel zu erzählen. Schließlich findet das „Café Atempause“ für Angehörige von Demenzkranken nur einmal im Monat statt.

Rund ein Dutzend Gäste sind heute zur Familien- und Krankenpflege ins Wullener Feld gekommen. Manche von ihnen nehmen das Angebot an, „ihren“ Patienten unten in der Tagespflege betreuen zu lassen, während sie frühstücken gehen – sich eben eine Atempause gönnen: von der Pflege der alten Mutter, von der Rund-um-die-Uhr-Betreuung der Ehefrau. „Man muss ab und zu unter die Leute kommen, sonst wird man depressiv“, sagt Gisela Gruschke, die seit 17 Jahren für ihren Mann sorgt. Dabei habe sie erst von dem Café nichts wissen wollen, erzählt die 69-Jährige. „Ich dachte, ich hab doch zu Hause genug von Krankheit, da muss ich nicht noch mit anderen drüber reden.“ Doch dann habe sie verstanden: „Wenn ich mit Leuten spreche, die die gleichen Probleme haben, dann scheinen meine plötzlich gar nicht mehr so groß zu sein.“

Und man fühlt sich auch nicht mehr so allein mit seinen Sorgen: Tipps werden an diesem Morgen weitergegeben, wie man mit der Wut klar kommt, die die Pflegenden manchmal überfällt, wie mit der Trauer und Hilflosigkeit. Kleine hilfreiche Tricks werden ausgetauscht: „Also, ich hab einen Eck-Spiegel im Flur – damit kann ich von der Küche aus sehen, ob im Wohnzimmer alles okay ist.“ Die schönste Hilfe aber ist die: „Ich habe eine Freundin hier gefunden“, sagt Jutta Schwarzfischer. Mit der könne sie alles besprechen – immer wieder, ohne je lästig zu werden.

Aber nicht alle, die an diesem Donnerstag gekommen sind, haben einen demenzkranken Angehörigen daheim, manche sind längst allein. „Mein Mann ist schon vor zweieinhalb Jahren gestorben“, sagt Gisela Stangenberg. Das monatliche Café möchte sie dennoch nicht missen. „Ich fühle mich wohl hier und immer noch willkommen.“ Die anderen nicken. Nur einen Wunsch an die Pflegedienstleiterin, den haben sie doch: „Frau Mensah, können wir nächste Woche nicht einfach noch mal ein Weihnachts-Frühstück machen?“

Britta Bingmann

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